
Multiconnect gewinnt Untätigkeitsklage gegen Bundesnetzagentur
Anspruch auf fristgemäße Entscheidung
München, 14.05.2025 – Streitbeilegungsverfahren wegen gescheiterter Zugangsverhandlungen zu Telekommunikationsnetzen müssen von der Bundesnetzagentur innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist von vier Monaten entschieden werden.
Diese Frist ist zwingend und darf nicht überschritten werden – auch nicht bei komplexem Sachverhalt oder umfangreichen Anträgen: Tatsächliche Umstände rechtfertigen keine Verlängerung. Die Einhaltung der Frist muss die Bundesnetzagentur organisatorisch sicherstellen.
Das ergibt sich aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. April 2025 (Az. 1 K 8270/24), das erst jetzt veröffentlicht wurde, zur Untätigkeitsklage der Multiconnect. Das Gericht verurteilte die Bundesnetzagentur nun dazu, das Streitbeilegungsverfahren der Multiconnect gegen einen Mobilfunknetzbetreiber hinsichtlich wettbewerbsfähiger Konditionen zur Mitnutzung von Funkkapazitäten (Az. BK2-23/002), das Multiconnect zur Durchsetzung des sogenannten Verhandlungsgebots der Präsidentenkammer seit über zwei Jahren führt, zu entscheiden.
Rechtfertigung der Bundesnetzagentur
Die Bundesnetzagentur hatte argumentiert, dass das Streitbeilegungsverfahren außergewöhnlich komplex sei und eine Vielzahl an Anträgen, Unterlagen und komplexen Rechtsfragen aus einem schwierigen Themenbereich umfasse. Die zuständige Beschlusskammer hatte zudem Marktdaten erhoben, zwei mündliche Verhandlungen durchgeführt und den Entscheidungsentwurf zur Anhörung gestellt. Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur sei die Viermonatsfrist für ein solches Verfahren deshalb nicht ausreichend.
Geltender Maßstab
Das Gericht lässt diese Begründung nicht gelten.
Es stellt klar: § 212 Abs. 1 Satz 2 TKG normiert eine zwingende Entscheidungsfrist von vier Monaten. Anders als in anderen Verfahrensarten sieht das Telekommunikationsgesetz keine Ausnahmeregelung hierfür vor. Eine Verlängerungsmöglichkeit wie sie das Unionsrecht in „Ausnahmesituationen“ erlaubt, wurde vom deutschen Gesetzgeber bewusst nicht übernommen.
Das Gericht stellt nach Untersuchung der Rechtslage des Weiteren fest, dass eine Verlängerungsmöglichkeit dem Sinn des Streitbeilegungsverfahrens zuwiderlaufen würde, das eine höchstmögliche Beschleunigung des Verfahrens aus Gründen der Wettbewerbsförderung bezweckt (Verzicht auf Widerspruchsverfahren, Beschränkung auf eine gerichtliche Tatsacheninstanz) – gerade für Zugangsstreitigkeiten, bei denen der Faktor Zeit für den Wettbewerb existenziell sei.
Rechtliche Folge
Die Bundesnetzagentur muss laut Gericht deshalb „organisatorisch“ sicherstellen, dass Streitbeilegungsverfahren innerhalb der Viermonatsfrist entschieden werden können.
Was „organisatorisch“ im Einzelnen bedeutet, lässt das Gericht dabei offen, sieht man von einem Verweis ab, in welchem ausreichende Personalausstattung genannt wird.
Implikationen für das Verhandlungsgebot
Die Auswirkungen des Urteils gehen weitaus tiefer.
In der mündlichen Verhandlung am 25. April 2025 deutete das Gericht eine kritische Hinterfragung des Verhandlungsgebots an. Es stellte sich die Frage, warum Marktdaten erst im Verfahren erhoben werden mussten – obwohl absehbar war, dass Streitigkeiten über das Verhandlungsgebot auftreten würden. Es fragte sich weiter, warum die Beschlusskammer überhaupt grundsätzliche Klärungen in einer Streitigkeit zwischen zwei Unternehmen vornehmen müsse.
Diese Überlegungen finden im Urteil zwar keinen Niederschlag, legen aber den Finger in eine offene Wunde, aus Sicht von Multiconnect sind sie entscheidend.
Denn die Ursache für das überlange Streitbeilegungsverfahren sieht Multiconnect nicht bei der Beschlusskammer, sondern im Regelungskomplex des Verhandlungsgebots selbst, das die Beschlusskammer anzuwenden hat. Dieser Komplex ist so unklar gefasst, dass er nicht nur Streit zwischen den Verhandlungsparteien begünstigt, sondern zudem die Beschlusskammer dazu zwingt, aufwändige Ermittlungen und Analysen und eigene Grundsatzbewertungen vornehmen zu müssen.
Multiconnect hebt hervor, dass zwar § 212 TKG die Fristtreue der „Beschlusskammer“ normiert, das Gericht weist jedoch die organisatorische Verantwortung hierfür der „Bundesnetzagentur“ zu – also der Organisation in ihrer Gesamtheit.
Ein Teil dieser Organisation ist nach Meinung der Multiconnect auch der Teil, der für die Ausgestaltung des Verhandlungsgebots verantwortlich ist: die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur. Somit hat auch die Präsidentenkammer bei Ausgestaltung des Verhandlungsgebots darauf zu achten, dass die nachgelagerte Beschlusskammer, die die Regeln im Streitbeilegungsverfahren anwenden muss, dies auch innerhalb der gesetzlichen Frist von vier Monaten tun kann. Ein Verhandlungsgebot mit übermäßiger Komplexität, Unklarheit oder fehlender Präzision unterläuft dieses Ziel.
Im Ergebnis führt eine Fristüberschreitung quasi zu einer Rechtsschutzverweigerung und Nichtförderung des Wettbewerbs – worauf das Gericht deutlich aufmerksam macht, indem es eine Gesetzesbegründung, aus der das hervorgeht, zitiert und den Inhalt auf das Streitbeilegungsverfahren überträgt.
Keine Entwarnung für künftige Verfahren durch die Leitplanken
Nach Einschätzung der Multiconnect wird es auch künftig nur in einfachen Fällen möglich sein, Streitbeilegungsverfahren auf Basis des Verhandlungsgebots fristgerecht abzuschließen.
Zwar enthält das Verhandlungsgebot der Frequenzverlängerungsentscheidung vom März 2025 erstmals sogenannte „Leitplanken“, die einzelne typische Verhandlungsinhalte konkretisieren sollen – doch diese bleiben aus Sicht von Multiconnect zu vage, um tatsächlich Streit zu vermeiden.
Im Gegenteil: Die fortbestehende Unklarheit wird weiter dazu führen, dass die Verhandlungsparteien sich über wesentliche Verhandlungsgegenstände nicht einig werden, so dass auch künftig mit komplexen Verfahren zu rechnen ist. Hinzu kommt, dass die Präsidentenkammer den Arbeitsumfang der zuständigen Beschlusskammer erhöht hat: In Zukunft ist die Einhaltung des Verhandlungsgebots ausdrücklich nur im Einzelfall und auf Grundlage einer Gesamtschau der Leitplanken bzw. Konditionen zu prüfen.
Folgen für das Verhandlungsgebot
Das Urteil ist nach dem Verständnis der Multiconnect ein deutlicher Fingerzeig an die Präsidentenkammer. Sollte sie ihre noch anhängige, aber voraussichtlich erfolglose Nichtzulassungsbeschwerde gegen das frühere Urteil des Verwaltungsgerichts Köln zur Aufhebung der Frequenzvergabeentscheidung III und IV von 2018 verlieren, muss sie auch bei der Neubescheidung die Einhaltung der Viermonatsfrist bei Streitbeilegungsverfahren als Maßstab mitdenken. Die Förderung des Wettbewerbs nach § 105 TKG verpflichtet die Regulierungsbehörde dabei, Verfahren so auszugestalten, dass effektiver Rechtsschutz nicht nur theoretisch, sondern auch tatsächlich möglich ist.
Das jetzige Urteil des Verwaltungsgerichts Köln dürfte damit Auswirkungen auf weitere Klageverfahren haben – etwa die von Freenet und EWE TEL gegen das Verhandlungsgebot der aktuellen Frequenzverlängerungsentscheidung. Auch dort stellt sich die Frage, ob die aufgestellten Regeln praktikabel und fristgerecht durchsetzbar sind.
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