LUUK: Perfekt, vielen Dank Manfred. Mein Name ist Luuk, Luuk Houtepen. Luuk ist ein holländischer Vorname, Houtepen ist ein holländischer Nachname und ich oute mich mal – ich bin Holländer. Ich bin vor 7 ½ Jahren nach Deutschland gezogen. Musste dann zunächst hier mal ankommen, vor allem was Kultur und Sprache betrifft. Das hat aber relativ gut geklappt. Noch ganz kurz zu mir: Ich bin 36 Jahre alt, habe daheim in Holland studiert und dort auch begonnen für SThree zu arbeiten.
Zu SThree: Wir sind einer der Marktführer im Recruiting mit so ca. 3100 Mitarbeitern, das war zumindest der letzte Stand den ich kenne. Wir sind als Unternehmen 1986 gegründet worden, damals von fünf Jungs, die sich in London zusammengetan haben und mittels schlauem Marketing in der Computer Weekly richtig gute Kandidaten ansprechen konnten. Das Geschäftsmodell hat dann über die Jahre mehr und mehr skaliert und nun auch digitalisiert. Aber immer noch gilt: der Zugang zu topp Kandidaten ist essentiell. Wir sind dabei auf MINT-Berufe spezialisiert. MINT-Kandidaten sind ja gerade in Deutschland absolute „Mangelware“ – von daher floriert unser Geschäft.
Dabei würde ich Recruiting als Schattenindustrie bezeichnen. Das liegt auch irgendwie in der Natur der Sache: wir sind beruflich damit beschäftigt, Personen einen tollen neuen Job oder Freiberuflern ein neues spannendes Projekt zu suchen und dafür muss man natürlich die Leute fragen, Ihren bisherigen guten Job oder Ihr lukratives Projekt zu verlassen. Wir arbeiten also ein bisschen „versteckt“.
Aber nicht nur deswegen passt der Begriff „Schattenindustrie“. Was Viele nicht wissen ist, dass wir eine Milliardenindustrie sind. Gerade hier in Deutschland, mit schätzungsweise 40 Milliarden Euro Umsatz – das teilt sich auf in Vermittlung von Festanstellungen mit so um die 2,3 Milliarden EUR, Freelancer-Vermittlung mit 15 und 18 Milliarden Euro und Arbeitnehmerüberlassung mit sogar 22 und 23 Milliarden Euro.
„DAS MATCHING VON IDEALEM ORT, RICHTIGEM ZEITPUNKT UND PASSENDER PERSON IST DER SCHLÜSSEL.“
LUUK: Schwierig zu beantworten. Normalerweise würde man sagen, dass das Momentum für einen Call entscheidend ist. Aber das ist bei uns schwierig, denn es gibt leider in unserer Industrie keinen perfekten Moment. Dennoch versuchen wir dem natürlich näher zu kommen: Wir verarbeiten viele Daten die bspw. versuchen, die Bereitschaft für einen Wechsel je Kandidaten vorherzusagen. Aber Recruiting ist auch viel Outbound-Sales, Viel hilft Viel. Deswegen telefonieren wir eine Menge, manchmal leider ein wenig ungesteuert und unstrukturiert. Das finden dann Kandidaten und Unternehmen manchmal ein wenig doof – was ja eigentlich verständlich ist. Umso wichtiger deswegen einen Sparrings-, und Lösungspartner wie Euch an der Seite zu haben.
Zu meinem Zielbild: Am liebsten würden wir unsere Unternehmenskunden so wenig wie möglich durch vertriebliche Anrufe stören, ideal wäre also, wenn ein Kunde nur dann angerufen wird, wenn dieser ein Projekt beschlossen hat und schon weiß, welche Experten er dafür braucht. Das klappt auch schon besser als vor 10 Jahren – zudem hilft uns unser CRM und unser Research die richtigen Fragen zu stellen, bspw. über Wachstumspläne, über Projekte, über offene Stellen usw. Da kann man dann ein viel spezifischeres und besseres Telefonat führen.
Aber um wieder auf die Frage zurück zu kommen, das Matching von idealem Ort, richtigem Zeitpunkt und passender Person ist der Schlüssel auf der Kandidatenseite.
„WIR BRAUCHEN BEIDES INFORMATION UND EMPATHIE …ES GEHT NÄMLICH UM EINE LEBENSENTSCHEIDUNG.“
In unserem Unternehmen geht es eben nicht um den Verkauf eines einfachen Produkts. Ich sage es mal ein bisschen ironisch: unser Produkt redet zurück. Ja – und noch viel schlimmer: das Produkt hat eine eigene Meinung und dazu auch noch verschiedenste Einflüsse von Partnern, Kindern, Freunden, (Ex-)Kollegen, Vater, Mutter und so weiter.
Es geht nämlich um nichts anders als um eine Lebensentscheidung. Welchen Job will ich für welches Unternehmen ausüben? Deswegen ist es uns so wichtig in die Tiefe zu gehen und wirklich zuzuhören, sich Zeit zu nehmen und auch mal ins Sparring zu gehen. Wir brauchen beides, Information und Empathie.
LUUK: Da haben wir ganz viel vor. Zum Hintergrund: ich bin auch Chairman vom Branchenverband APSCo. Da komme ich sehr oft auch in Berührung mit ganz vielen spannenden HR-Tech-Themen. Beispielsweise Chat Bots. Chat Bots, die tatsächlich die Basisfragen erst einmal abfragen können, wie Verfügbarkeit, Interesse und dann auch sowas wie CV upload. Was komisch ist: Die SMS ist in unserer Industrie eigentlich noch nicht richtig angekommen. Vor allem nicht strukturiert: Natürlich gibt es teilweise direkten Kontakt zwischen einem Consultant und einem Kandidaten oder einem Kunden, aber noch überhaupt nicht integriert bspw. CRM Systeme, als strukturiertes Kommunikationstool. Whatsapp for Business wäre natürlich auch sehr spannend, obwohl Whatsapp selbst noch immer als privates Medium angesehen wird und ich nicht weiß, ob sich das schnell ändern wird. Wie gesagt, ich denke gerade beim Thema SMS könnte man wahrscheinlich eine Menge mehr machen.
Wieso uns das so wichtig ist? Weil gute Kandidaten Mangelware sind. Wenn ich nur mal die IT nehme, gibt es laut Bitcom 80-90.000 offene Stellen. Das heißt auch, dass man eigene offenen Stellen nur mit Leuten besetzen kann, die schon tolle Jobs haben. Da tut man sich natürlich schwer, gerade bei der Kontaktaufnahme. Wer geht schon in den Office-Zeiten ans Telefon, wenn der Chef direkt neben einem steht oder wenn der Teamleader im gleichen Raum sitzt. Deswegen ist es für uns als Industrie wirklich wichtig, auf neue Kommunikationstools zu setzen. Stand heute wirken wir leider manchmal unbeholfen. Ich kenne da leider sehr viele Geschichten, die sehr lustig oder eben gar nicht lustig sind – je nachdem wie man es sieht.
„A.I. WIRD ALSO IN DEN NÄCHSTEN JAHREN DEN RECRUITER NICHT ERSETZEN, SONDERN ERGÄNZEN.“
LUUK: Ja, das ist tatsächlich sehr interessant. Und von den Medien werde ich immer wieder dazu gefragt. Es ist Stand heute noch ein nicht praktikables Thema oder anders gesagt, es wird zu naiv gedacht. Da stellt man sich vor, dass eine KI ein Matching von Lebenslauf mit einer Beschreibung von einem Job macht, dann den Kandidaten ein Offer macht und der Job ist vermittelt.
Aber da fehlt die entscheidende Zutat: „der Faktor Mensch zu Mensch“. Ich bin also skeptisch ob KI den Menschen ersetzen kann, im Übrigen nicht nur bei uns, auch woanders, weil ich keinen kenne, der schon mal automatisiert eine Wohnung, ein Auto, noch nicht mal einen Wintermantel gekauft hat. Und das wäre ja ein Nobrainer, dass das funktioniert, da die Datenlage zu diesen Themen ja recht objektiv vorliegen sollte. Quadratmeterpreis, die Quadratmeteranzahl von der Wohnung, wie viele Schlafzimmer, wie viele Badezimmer, Baujahr, Lage usw.
Und trotzdem wird der Makler gebraucht. Ich sage nicht, dass sich das nie ändern wird, aber derzeit sind wir lange noch nicht so weit, dass wir wichtige Produkte auf der Basis von A.I. direkt so bestellen. Das ist sicherlich auch so, wenn es um das Thema neuer Job oder neues Projekt geht.
A.I. wird also in den nächsten Jahren den Recruiter nicht ersetzen, sondern ergänzen – vor allem bei einfacheren Tätigkeiten wie der Vorauswahl der Kandidaten. Es ist einfach noch ein weiter Weg A.I. die Aufgabe zu geben, Manfred zu überzeugen Multiconnect zu verlassen und ich sage mal für Banking GmbH anzufangen. Dafür braucht es gut ausgebildete Consultants.
„WENN ICH VON HOLLAND NACH DEUTSCHLAND FAHRE IST DAS WIE, WENN ICH VON DER ERSTEN IN DIE ZWEITE WELT FAHRE.“
LUUK: Naja, nicht nur von seinen sympathischen Nachbarn im Nordwesten, auch von denen im Norden und Nordosten, sprich Skandinavien und dem Baltikum. Diese Länder sind schneller. Wenn ich von Holland nach Deutschland fahre ist das wie, wenn ich von der ersten in die zweite Welt fahre. Das fängt schon an mit euren Mobilfunknetzen. Es ist schrecklich, meine Mutter ist 65 und macht immer Witze darüber, wenn ich sie anrufe aus dem Auto. Da falle ich ein oder zweimal aus dem Gespräch raus und dann sagt sie, ach ja du wohnst ja in Deutschland. Aber nicht nur im Mobilfunk haben wir da Themen. Es ist in Bayern fast unmöglich ohne Bargeld beim Bäcker zu zahlen. Oder wenn ich nur daran denke, wie schwierig es ist ein Auto anzumelden bei der Stadt München, weil man da gefühlt einen halben Tag Urlaub nehmen muss. Es gibt andere Länder, wo es echt schneller und besser funktioniert ohne, dass das ein Risiko für diese Bürger bedeutet. Es gibt Länder, wo schon ein komplettes digitales eGovernment aufgebaut ist und ich finde, dass sich da Deutschland echt einmal entwickeln muss und hoffe, dass diese 50 Milliarden von denen jetzt jeder als Investitionsbedarf spricht, in diese digitale Transformation gesteckt werden sollen, denn da muss viel passieren.
Das finde ich echt schade, weil Ihr hattet und habt kluge Köpfe. Es sind so viele intelligente Leute hier, tolle Unternehmer und Ihr hattet einen Wettbewerbsvorteil auf vielen Ebenen…aber man spürt, dass da was bröckelt. Und dann steht Ihr Euch mit der Überregulierung auch manchmal selbst so im Weg, wenn ich nur an das Thema DSGVO denke.
LUUK: … gehe ich nie wieder zu diesem Unternehmen.
LUUK: Booking.com, swoodoo, die Dritte muss ich kurz überlegen. Dritte würde ich dann sagen vielleicht freenow.
LUUK: Die digitale Transformation.
LUUK: Ich habe es sehr interessant und spannend gefunden und ich hoffe, dass wir den Lesern und Hörern ein wenig Einblick in Innovationsthemen, die wir ja auch mit Euch vorhaben, geben konnten. Danke Manfred und bis bald!